ANZEIGE – Ein Kinderbuch, welches sich mit Integration, Respekt und Toleranz beschäftigt? Klingt auf den ersten Blick mehr als spannend und hat mich neugierig gemacht. Denn genau dieses Thema liegt mir in der Erziehung unseres Sohnes sehr am Herzen. Er soll möglichst ohne Vorurteile aufwachsen und offen für Neues, andere Kulturen und Lebensarten sein. Bisher ist uns das (glaube ich) ganz gut gelungen. Junior ist im Kindergarten sehr beliebt und hat viele Freunde – auch aus anderen Kulturen. Und das finde ich wunderbar.
Unser Fünfjähriger fand das Kinderbuch aufgrund des bunten Covers und der vielen bunten Zeichnungen offenbar ebenfalls ziemlich interessant. Ich sollte es ihm gleich vorlesen. Und so machten wir es uns gemeinsam mit Papa auf dem Sofa gemütlich und ich las Junior die Geschichte von „Ali & Anton – Wir sind doch alle gleich“ vor.
Die Handlung
Die Geschichte beginnt damit, dass Ali partout nicht in den neuen Kindergarten möchte. Seine Mutter hat alle Mühe, ihn irgendwie zu überreden. Widerwillig zieht sich Ali doch Jacke und Schuhe an, doch in den Kindergarten möchte er einfach nicht. So geht es auch Anton an diesem Tag. Auch er hat überhaupt keine Lust auf die Kinder im Kindergarten und klammert sich an einer Säule vor dem Eingang fest. Dort vor dem Kindergarten treffen die beiden fremden Jungen das erste Mal aufeinander und finden sich auf Anhieb doof. Das liegt einerseits am unterschiedlichen Aussehen der beiden und andererseits wohl an ihrer schlechten Laune an diesem Tag. Sie beginnen sich gegenseitig zu ärgern, strecken sich die Zunge heraus und schneiden dem anderen blöde Grimassen. Niemand möchte mit dem anderen etwas zutun haben.
Bis das Mädchen Rudy die beiden Streithähne unterbricht. Rudy ist ein schlaues Mädchen mit dunkler Hautfarbe und vielen dünnen schwarzen Zöpfen auf dem Kopf. Sie möchte zwischen den Unruhestiftern vermitteln. Sie sagt, es wäre dumm, den anderen wegen seines Äußeren zu verspotten und schlägt vor, doch lieber miteinander zu spielen anstatt sich weiter zu zanken. Am Ende sehen die Jungen natürlich ein, dass es viel schöner ist, miteinander zu spielen als sich gegenseitig zu beschimpfen.
Ende gut, alles gut?
Nicht ganz. Denn beim Vorlesen des Buches, bin ich über einige Formulierungen gestolpert, die mir persönlich sauer aufstoßen. Schon während des Lesens wusste ich, dass wir dieses Kinderbuch wohl kein zweites Mal mehr in die Hand nehmen würden. Die Geschichte und der Sinn dahinter sind gut gemeint und der Autor hätte aus der Botschaft „Toleranz und Integration“, die das Buch ja vermitteln möchte, bestimmt eine wunderbare Kindergeschichte kreieren können. Doch „Ali & Anton“ ist vor allem eines: Ein Pool an Vorurteilen, Klischees und Schubladendenken. Und das, finde ich, hat in einem Kinderbuch in dieser Form absolut nichts zu suchen. Dass ein Türkischstämmiger Junge vornehmlich schwarze Haare, ein Deutscher dagegen eher helles Haar hat, mag mir einleuchten und ist auch bei den Illustrationen von Vorteil. Man möchte die Jungs ja auseinander halten können. Das ständige Betonen und Wiederholen der Unterschiede „Er sieht nicht so aus wie ich“ oder „Du hast komische gelbe Haare“ sehe ich eher negativ. Ja, es nervte mich sogar richtig beim Lesen. Auch das vermittelnde Mädchen Rudy, kann nicht oft genug auf ihre Andersartigkeit hinweisen: „Meine Haut ist dunkler und meine Haare sind kräftiger“. Meinem Sohn wäre das vordergründig wohl gar nicht aufgefallen und bewusst geworden, wenn die Figuren sich nicht ständig mit der Brechstange auf die gegenseitigen Andersartigkeiten aufmerksam machen würden.
Ein Buch voller Vorurteile
Das wunderbare an Kindern ist doch, dass sie eben keine Vorurteile haben und unbedarft, neugierig und furchtlos auf alles Neue zugehen. Mein Sohn ist jedenfalls so. Ich glaube, er hat sich noch nie gefragt, warum sein Freund Ali (Ja, einer von Juniors besten Freunden heißt wirklich so), schwarze Haare hat und kein Schweinefleisch isst. Oder warum ein anderes Mädchen größer und dicker ist als er? Junior sieht das nicht als Unterschied, sondern eher als Besonderheit. Er ordnet das Gesehene nicht in Kategorien ein. Unterschiede fallen ihm unbewusst zwar auf, aber zum wirklichen Thema werden sie nicht. Weil es nicht wichtig für ihn ist. Und das ist doch toll und sollte von uns Erwachsenen gefördert, vorgelebt und unterstützt werden.
Das Buch ist meiner Meinung nach kein Buch für Kinder, weil es unsere Kleinen erst auf Unterschiede und Andersartigkeit hinweist und aufmerksam macht. Vielmehr sollten die vielen Gemeinsamkeiten betont und in den Mittelpunkt gestellt werden.
Hasskommentare im Netz
Dass das Buch im Internet seit seiner Veröffentlichung im letzten Jahr so viel Aufmerksamkeit erregte, überraschte mich dann doch. Es gibt wohl Menschen, denen allein das Thema Integration und die Freundschaft zweier Jungs verschiedener Herkunft Angst macht und mit ihrem eingeschränkten Weltbild nicht einher geht. So äußern sich mehrere Menschen – die das Buch sicherlich noch nicht einmal gelesen haben – so verachtend und feindselig über Autor und Buch, dass mir echt schlecht wird. Da reicht schon die Tatsache, dass ein Autor mit türkischem Namen ein Kinderbuch über die Freundschaft zweier Kinder unterschiedlicher Herkunft schreibt, um dagegen zu wettern. Das ist abscheulich, verachtenswert und macht mich unwahrscheinlich wütend und gleichzeitig auch traurig. Wenn ihr einige dieser Hasskommentare lesen möchtet, empfehle ich euch die Rezension der tz.
Mein Fazit
Das Buch würde mir gefallen, wenn es nicht gespickt wäre mit Klischees (absichtlich oder nicht). Nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten sollten betont werden. Der Autor Ahmet Özdemir hat ein wichtiges Thema angeschnitten, doch die Umsetzung der Geschichte gefällt mir leider überhaupt nicht.
Und jetzt interessiert mich natürlich brennend eure Meinung zu diesem Kinderbuch? Kennt ihr es oder habt ihr davon gehört? Haben eure Kinder Freunde anderer Herkunft und ist das bei euch ein Gesprächsthema?
Liebe Grüße
Anke
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Shaker Media Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt.
7 Kommentare
Jess
26. Juni 2018 at 11:05Es ist super spannend auch mal eine nicht nur positive Rückmeldung zu einer Sache zu bekommen. Denn genau darauf kommt es ja auch an, auf die kritischen Fragestellungen.
Sina martin
26. Juni 2018 at 20:55Ein wirklich wichtiges Thema in der heutigen Zeit. Und ich bin auch froh, dass meine Kinder noch vorurteilfrei anderen gegenüber sind. Ich verstehe was der Autor mit dem Buch sagen wollte, kann aber auch nachvollziehen dass du es nicht gut fandest, dass die Kinder durch das Buch erst auf die unterschiede aufmerksam gemacht werden. Und ich bin echt fassungslos was manche Menschen für hass Kommentare abgegeben haben. Unfassbar.
Anke
27. Juni 2018 at 9:39Jeder kann seine eigene Meinung haben und muss diese auch sagen dürfen. Aber alles mit Maß und es darf nicht auf persönlicher Ebene angegriffen werden.
LG Anke
Julia
26. Juni 2018 at 23:41Liebe Anke! Verrückt. Wir haben das Buch auch als Rezensionsexemplar bekommen und empfinden es tatsächlich überhaupt gar nicht so wie ihr. Ja, ich sehe auch, dass darin viele, viele Klischees vorkommen und „bedient“ werden. Diese sind aber meiner Meinung nach eher so vermehrt eingesetzt, um „das Problem“ noch deutlicher hervorzuheben – Hyperbel als sprachliches Stilmittel sozusagen.
Unsere Frieda besucht eine Kita in einem sogenannten Brennpunktviertel hier in Köln mit vielen Arbeitslosen, Bildungsfernen, Migranten und frisch Eingewanderten. Ich begrüße das von ganzem Herzen und finde es auf vielen Ebenen sehr kostbar und bereichernd für unsere Tochter (und für uns selbst übrigens auch!). Doch obgleich unsere Frieda sooo viele Kinder von Eltern mit Migrationshintergrund Tag für Tag um sich herum hat, äußert sie sowas wie „die hat so dunkle Haut, das macht mir Angst.“ Diese Aussage hat zwar eher was mit ihren Gefühlen (aus ihr selbst heraus) und nicht mit unseren anerzogenen Werten zu tun, aber muss ja trotzdem unbedingt zum Thema gemacht werden. Kinder sind grundsätzlich wertfrei, ja. Aber eben auch nicht ohne ihre nicht-anerzogenen Gefühle. Und bloße Andersartigkeit kann Menschen jeden Alters eben auch Angst oder zumindestens Unwohlsein machen – ganz ohne be-wertende erzieherische Einflüsse. Für uns ist das Buch deshalb eben total hilfreich und gar nichts schrecklich. Zum Glück sind wir aber ja alle anders. Das ist ja auch das Schöne ❤️
Anke
27. Juni 2018 at 9:38Liebe Julia
Finde ich interessant, dass deine Tochter die Unterschiede auch benennt. Vielleicht ist sie einfach aufmerksamer als unser Sohn. Junior hat noch nie ein Wort darüber verloren. Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich Kinder doch sind. Vielen Dank für dein Feedback.
LG Anke
Alu
27. Juni 2018 at 23:47Mhmm, ich kenne das Buch nicht aber spielt der Autor vielleicht direkt mit Schubladen? Wie kommt dir das vor? lg Alu
Anke
29. Juni 2018 at 13:23Ja, mag sein. Aber ich kann damit leider so überhaupt nichts anfangen.
LG Anke