Manchmal ist das so eine Sache mit Dreijährigen. Unser Sohn hatte bislang keine wirkliche Trotzphase (dem Himmel sei dank), doch momentan ist er manchmal sehr zickig und sagt klar seine Meinung. Das ist einerseits natürlich gut, er vertritt seinen Standpunkt und sagt seine Meinung. Andererseits ist es verdammt anstrengend. Und dann gibt es Situationen, da bin ich schier am Verzweifeln.
Der Kindergarten hat drei Wochen Sommerferien und Papa und ich haben Urlaub. Wunderbar, da haben wir endlich mal Zeit, ein paar (unliebsame) Dinge zu erledigen (Auto Kundendienst, FSME-Impfung). Doch vor allem wollten wir Juniors Tage abwechslungsreich gestalten und schöne Dinge erleben. Dazu gehörte auch ein Besuch bei Juniors Kindergartenfreund Elias. Dieser ist drei Monate älter als Junior und Elias Mama hatte uns schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, sie zu Hause besuchen zu kommen. Nachdem wir einen passenden Termin gefunden hatten, freute ich mich richtig. Ich konnte eine neue Mama kennenlernen (Ein Punkt von meiner Sommer-To-Do-Liste), während Junior mit seinem Freund spielen konnte. Soweit der Plan in meiner Fantasie.
Schon Tage vorher habe ich Junior auf diesen Termin vorbereitet. Das ist bei unserem Sohn nämlich immer wichtig. Ohne Vorbereitung geht nix. Seine Antwort jedes Mal schmollend: „Ich möchte nicht.“ An besagten Tag wollte ich mich mit Junior nach dem Frühstück aufmachen zu Elias und dessen Mama. Die Familie wohnt nur einen Steinwurf von uns entfernt, so dass wir bequem zu Fuß hin laufen können. Es regnete. Junior sagte wieder mehrmals, er wolle nicht zu Elias. Ich ahnte schlimmes, versuchte jedoch ihm unseren Besuch bei seinem Freund schmackhaft zu machen. „Guck mal, der Elias hat bestimmt ganz tolles Spielzeug, mit dem du spielen kannst. Und einen Garten haben sie auch.“ Wobei der Garten bei diesem Wetter wohl flachfallen würde.
Nachdem ich vorgeschlagen hatte, dass Junior sein Laufrad ja mitnehmen könnte, ging er doch mit mir los. Immer die Hauptstraße entlang bis ich dann rechts in eine kleine Seitenstraße einbiegen wollte. Junior wollte das jedoch absolut nicht. „Nein, ich möchte nicht zu Elias! Ich möchte zu meinem Paaapaaaaaa!“ Jetzt wurde ich doch etwas nervös und spielte alle meine Karten aus. „Aber wir können doch zu Elias gehen und einfach Hallo sagen.“ „Neiiinnnnn! Ich möchte niiiiiiicht!“ Dabei wendete er sein Laufrad und machte sich in die andere Richtung davon. Ich hinterher. „Aber der Elias wartet doch schon auf dich. Der freut sich, dass du ihn besuchen kommst.“ „Neiiiinnnnn!“ Nach etlichem hin und her konnte ich Junior wenigstens dazu bewegen, in die Straße einzubiegen und bis zu einer Baustelle zu fahren. Dort blieb er wieder stehen. „Mama, ich möchte nicht. Ich will zu Paaapaaaaaa!“ Obwohl es nicht besonders warm war an diesem Tag, kam ich jetzt langsam ins Schwitzen. Ich fragte nach: „Warum möchtest du denn nicht? Hast du Angst?“ „Jaaaaaa!.“ Mittlerweile weinte mein Sohn aus Leibeskräften und war vollkommen aufgelöst. „Aber du musst doch keine Angst haben. Du kennst Elias doch. Er ist doch dein Freund.“
Man muss dazu sagen, dass mein Sohn immer etwas schüchtern ist, wenn wir das erste Mal bei anderen Leuten zu Besuch sind. Da möchte er immer partou nicht hin. Das Verhalten kenne ich also bereits. Aber so schlimm wie an diesem Regentag war es noch nie. Er weinte jämmerlich und war gar nicht mehr zu beruhigen. Ich fühlte mich ganz schlecht. Sollten wir vielleicht doch lieber wieder umdrehen und absagen? Aber ich wollte nicht, denn ich hatte mich (im Gegensatz zu meinem plärrenden Kind) auf diesen Termin gefreut. Was also tun? Mit Tricks und grenzenloser Überredungskunst schaffte ich es schließlich, dass wir in den kleinen Weg einbogen, wo Elias Familie wohnte. Ich konnte das Haus schon sehen. Mein Kind weinte und weinte und ich fühlte mich elend. Ich wusste genau, wenn wir erst mal da waren, alles gut sein würde und er dann mit seinem Freund spielen und Spaß haben würde. Doch die Situation bis wir vor dem Haus standen, war für mich furchtbar und stressig zugleich. Mir war heiß! Ich fragte mich ernsthaft, ob man sein Kind gegen dessen Willen zu seinem Glück zwingen dürfe. War das hier richtig? Mit einem heulenden Kind auf dem Arm kamen wir dann schließlich an. Elias und seine Mama standen schon in der Haustür. Man hatte Junior ja schon Kilometer weit schreien hören und zu spät waren wir auch.
Und dann war es so, wie ich gesagt hatte. Von meinem Arm aus guckte Junior interessiert, was da für Fahrzeuge und Bobbycars vor dem Haus standen. Zu Elias wollte er aber vorerst noch nicht. Das dauerte dann noch genau drei Minuten und dann flitzten die beiden mit ihren Laufrädern die Einfahrt hin und her. Das Eis war gebrochen und ich war erschöpft, aber froh. Wusste ich es doch …
Als wir uns nach etwas drei Stunden wieder auf den Heimweg machten, fuhr Junior mit seinem Laufrad neben mir her und sagte: „Mama, heute war ein schöner Tag. Wir haben schön gespielt.“ Äh, ja, dem ist nichts hinzuzufügen.
Wie hättet ihr in meiner Situation reagiert?
Liebe Grüße
Anke
8 Kommentare
Jenny
17. August 2016 at 8:21Hallo Anke,
ich bin gestern quasi über deinen Blog gestolpert (Über Eltern.de) und hab mich gleich zum Fan gemausert 🙂
Wir leben auch in Mittelfranken (Nürnberg) und unsere Tochter ist 2 Jahre jünger als dein Kleiner. Deine Posts sind sehr erfrischend und ich bekomme so langsam eine Vorahnung was mich die nächste Zeit so erwartet 😉
Wollte einfach mal Danke sagen für diesen tollen Blog!
LG Jenny
Anke
17. August 2016 at 8:31Danke Jenny für das Kompliment und die netten Worte. Das freut mich riesig. Viele Grüße nach NÜrnberg, Anke
Katja R.
17. August 2016 at 19:42Hallo Anke,
auch ich bin neu hier und gespannt auf Deinen Blog! ???
In meinen Augen hast Du richtig gehandelt. Ich finde, eine Mutter kann sehr gut erkennen und einschätzen, was sie ihrem Kind zu muten kann und wie das Kind später reagieren wird.
Bei meinem Sohn, 6, ist es ähnlich. Alles was neu ist, wird erstmal kategorisch abgelehnt. Sei es ein kleinkindgerechtes Fahrgeschäft im Legoland (also gaaaaaaanz -gähn- langsam) oder einfach nur ein neuer Waldweg, der mit dem Fahrrad erkundet werden soll. Erstmal heisst es „Nein, will ich nicht“.
Da wir ihn kennen und wissen, dass er eine riesen Freude hat durch Matschpfützen zu fahren und nur langsame Fahrgeschäft ein Lächeln in sein Gesicht zaubern können, müssen wir ihn regelmässig zu Aktionen überreden und zwingen, von denen wir wissen, dass sie ihm Spass machen werden.
….und es gab noch kein mal, an dem er uns dafür verflucht hat…jedes mal kam er mit einem Lächeln nach Hause ?
Viele Grüsse aus Hannover
Katja
Meta
22. August 2016 at 15:06Das Gute ist, das nächste Mal kannst du auf diese positive Erfahrung zurückgreifen und ihn daran erinnern. Dass er erst Angst hatte, aber es dann so viel Spaß gemacht hat und dass es sich lohnt, sich zu überwinden.
Du hättest vielleicht noch anbieten können – wenn du das nicht schon hast: wir gehen mal hin und gucken es uns da an und wenn es dir nicht gefällt, dann gehen wir wieder? Ich finde es super, dass du gefragt hast, was denn los ist und ob er Angst hätte und dass er das eingestehen konnte. Vielleicht kann man … aber das ist nur so eine Idee … ihm etwas an die Hand geben, damit ihm der Erstkontakt leichter fällt? Dass er vielleicht ein tolles Spielzeug dabei hat, dass er Elias zeigen kann? Oder ein kleines Pixibuch, dass er ihm als Geschenk überreichen kann? Auf jeden Fall, warst du ja die ganze Zeit bei ihm und hast ihn durch seine Angst geführt und begleitet. So konnte er sich trotz seiner Unsicherheit eigentlich gesichert fühlen:)
Eure Herzensposts des Monats August (#Herzpost) – verflixteralltag.de
26. Oktober 2016 at 22:07[…] 6 Jahre und unendlich Schnuppismama: Unser neuer Alltag Fit und Happy: 1 Monat mit 2 Kindern Mama geht online: Darf man Kinder zu ihrem Glück zwingen Rosas Welt: Du Liniert-kariert: Könnte es nicht […]
Conny
31. Dezember 2022 at 10:13Huhu Anke, eine wunderbare Anekdote aus dem Alltag vieler Eltern. Was wäre gewesen, wenn du deinem Kind deine Gefühle und Bedürfnisse mitteilst? Es ging ja nicht nur um ihn. Es ging auch um dich und ich glaube das könnte ein Weg sein. Lieben Gruß
Vera
1. Januar 2023 at 1:11geht mir als Erwachsener doch genau so. „Scheiße, hochmotiviert irgendwas verabredet und jetzt muss ich da echt hin..scheiße! ich will nicht..wozu überhaupt vor die Tür?! nie wieder werde ich was verabreden“
ist der Termin dann Rum war es doch irgendwie ganz nett und ich würde es wiederholen..bin aber auch froh wieder zu Hause zu sein. vielleicht sind das einfach i introvertierte Menschen. das sollte man berücksichtigen ohne sie völlig abzukapseln, so braucht jeder Mensch seinen Mittelweg zwischen „ach, war doch ganz nett“ und „scheiße, das mache ich heut aber nicht mit“
viel Glück 😉
Hans
3. Januar 2023 at 6:50Die Frage nach der Angst kann gefährlich sein, denn dann bildet sich ggf erst recht eine Verknüpfung im Kindergehirn von der „Sache“ (Elias besuchen) und „Angst“. Ein „nicht“ bzw. „keine“ ist zu abstrakt und wird ausgeblendet, übrig bleibt „Elias -> Angst“.